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Doris Krystof

Real Thing. Eine künstlerische Betrachtung

Es ist selten geworden, dass Dinge in der Kunst ein heftiges sinnlich-physisches Erleben verursachen und die truglose, manifeste Realität des Werkes behaupten. Das unbetitelte Bodenobjekt, das Brigitte Dams im Jahr 2003 angefertigt hat, vermittelt durch seine schiere materielle Präsenz auf einen Schlag eine starke ästhetische Erfahrung. Dies ist kein fliegender Teppich, der zu Reisen durch virtuelle Welten einlädt. Es liegt vielmehr ein vollkommen irdisches Objekt vor, ein zum Viereck geformter Stoff mit gerasterter Textur, eine schwere Haut, eine Trophäe ... - auf jeden Fall ein seltsam obstinates Artefakt, das, so scheint es, seine auratische Wirkung an welchem Ort auch immer zu entfalten vermag.

 

Ohne Wenn und Aber wird hier erneut der Anspruch auf die Autonomie des Kunstwerks proklamiert, gegen die Chiffren der Kontextualität. Man könnte das als nostalgischen Rückgriff auf die 60er Jahre verstehen, auf die Materialpoetik der Arte Povera etwa, wäre da nicht jenes irritierende Moment des kompliziert Komplexen, des Verrätselten und Verknoteten. Schon die skulpturale Handlung folgt anderen Kriterien: Ein dicker, platt gefalteter Feuerwehrschlauch wurde so verflochten, dass, wie beim Weben, eine glatte Fläche aus Schuss und Kette entsteht, ein kariertes Ungetüm in zartem Rosa, immens schwer, absolut unhandlich, und am Rand bildet der gleichmäßig zu Schlaufen umgeschlagene Schlauch eine wuchtige Bordüre. [Gegen jeden Monumentalismus spricht indes das auf menschliches Maß gebrachte Format des abstrakten Objekts von 2 x 2 m, das sich damit gegenständlichen Erwägungen öffnet und an einen Teppich, ein Bett oder eine Decke denken lässt.]

 

Hat die Tradition des skulpturalen Umgangs mit textilen Materialien von Robert Morris‘ Feltpieces über Eva Hesses fragil hängende Schnurgespinste bis hin zu Hannah Wilkes Latexskulpturen unter dem Begriff der „Antiform“ der jeweiligen stofflichen Beschaffenheit die plastische Verformung überlassen, ist das von Brigitte Dams angefertigte Objekt Ergebnis eines planvollen Formkonzeptes. Nicht Materialgerechtigkeit sondern vielmehr Bewältigung des Materials zur Schaffung einer Form ist hier ablesbar. Dabei wirkt von Ferne der alte Bildhauermythos vom Ringen mit dem Material nach, - als ob es sich um Marmor handele. Das Sublime bricht sich jedoch sowohl an der profanen Funktionalität eines Feuerwehrschlauchs als auch an der kunstgewerblichen Technik des Flechtens. Mit Witz und wohltuender Bestimmtheit hat Brigitte Dams die (nicht nur künstlerische) Ambivalenz von Freiheit und Wollen fest in dem gewichtigen Flickenteppich vertäut. Er ist unbequemes Doppelbett, bildschöner Teppich, Resultat einer Fessselung, eigenwillige Plattform zur Markierung einer Stelle im Raum, und folgt zugleich seiner eigenen inneren Logik, ganz real.